Montag, 30. November 2020

[ #naturwissen ] Extraterrestrische Physik am Grunde des Bodensees


Der Physiker Erich Regener erforschte die "Höhenstrahlung" zwischen 1928  und 1932 am Grunde des Bodensees und legte einen Grundstein für die Weltraumforschung.


Die Astroteilchenphysik in ihrer heutigen Form gilt als eine junge Disziplin. Sie beginnt jedoch mit der Entdeckung der "Höhenstrahlung". Sogenannte kosmische Höhenstrahlung durchdringt selbst tausend Meter dicke Gesteinsschichten. Zur Zeit ihrer Entdeckung war es aber schier unmöglich, sie zu messen. Schon gar nicht war daran zu denken, sie in den höheren Schichten der Erdatmosphäre zu messen. Doch Erich Regener spürte sie tief im Bodensee ebenso wie in der Atmosphäre auf. Mit Ballonsund Messinstrumenten erforschte er Welten, welche der Weltraumforschung den Weg ebnen konnte.

Von der Bodensee-Bombe zur Regener-Tonne. Von einem Boot aus, führt er zwischen 1928 und 1932 Unterwasseruntersuchungen aus. Die Tauchvorrichtung mit den automatisch registrierenden Ionisationskammern wurde auch "Bodensee-Bombe" genannt. Umgekehrt ließ er sie am Ballon bis in eine Höhe von 33 km in die Stratosphäre aufsteigen. Der von ihm für die Erdatmosphäre entwickelte Gerätekomplex, der von Wernher von Braun eingesetzt werden sollte, nennen die Physikhistoriker "Regener-Tonne".

Ozonschicht. „Die Ozonschicht wirkt als Schutzschicht für alles Lebendige undsorgt sozusagen für ein mildes photochemisches Klima auf demGrund der Erde“ soll er bereits festgestellt haben und damit eine bis in die heutigen Tage aktuelle Thematik formuliert.

Die so gewonnen Meßergebnisse gestatteten ihm auch wichtige Aussagen über die chemische Zusammensetzung der Troposphäre (Atmosphäre bis etwa 12km Höhe) und der Stratosphäre (etwa 12-50km Höhe). Unter anderem ging es um die schützende Ozonschicht. Insbesondere interessierte Regener der Einfluß des ultravioletten Lichts auf das chemische Gleichgewicht zwischen Sauerstoff 02 und Ozon 03, ein heute wieder äußerst aktuelles Thema.

1934 gelang ihm die direkte Messung der Ozonschicht mittels UV-Spektroskopie. Schon seine Doktorarbeit "Über die chemische Wirkung kurzwelliger Strahlung auf gasförmige Körper" befasste sich in der Hauptsache mit der Erzeugung und Zerstörung des Ozons in einer Gasentladung in molekularen Sauerstoff.

Erich Regener (1881 - 1955). Er war Physikprofessor an der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin und an der Technischen Hochschule Stuttgart. Seine Interessen galten insbesondere der kosmischen Strahlung und dem Ozon der Stratosphäre. Von den Nazis wurde er 1937 aus dem Hochschulbetireb entfernt. wohl wegen seiner Ehe mit einer aus der Ukraine stammenden Jüdin (Bernstein), wohl aber auch wegen seiner politischen Einstellung.

Für Hans Gustav Adolf Hellmann (* 14. Oktober 1903 in Wilhelmshaven; † 29. Mai 1938 in Moskau) war er nicht nur Doktorvater, dieser ehelichte auch die jüdische und verwandte Pflegetochter seiner Frau und ging 1934 nach Moskau. Dieser deutsche Physike schrieb 1937 eines der ersten Lehrbücher der Quantenchemie.

Das brachte Erich Regener wieder an den Bodensee. Am 1. Januar 1938 gründete er in Friedrichshafen Seewiesenösch 37 eine Private Forschungsstelle für Physik der Stratosphäre. Vermieterin war Marianne von Weizsäcker, die Mutter des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker. Im Mai 1938 wurde die Forschungsstelle in die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft eingegliedert. Das Institut wurde bei einem Luftangriff auf Friedrichshafen 1944 zerstört. In einem Provisorium, in einem Waldgebiet bei Weißenau bei Ravensburg, setzte Regener seine Arbeiten fort. Aus dieser Forschungsstelle entstand dann 1952 ein Max-Planck-Institut für Physik der Stratosphäre.

Zivile Forschung im Kriegsgewande. Ab 1942 war die Firma Zeppelin in Friedrichshafen als Leitfirma verantwortlich für die Herstellung des A4 Mittelteils. Bei Ober- Raderach errichtete die Heeres- Versuchsanstalt Peenemünde ein Prüfwerk für die bei Zeppelin geplante Serienfertigung. In der Forschungsstelle für Physik der Stratosphäre der Kaiser Wilhelm Gesellschaft in Friedrichshafen, arbeitete eben Prof. Erich Regener. Seit 1942 arbeitete er an einer Nutzlast für eine A4- Rakete (A= Aggregat, "V2"-Rakete) die ein UV- Spektrograph zur Vermessung des Sonnenspektrums, Baro- und Thermograph, Ionenmesser, Luftdichte-Interferonmeter und ein Galvanometer beinhalten sollte und begründet damit die Forschungsmethodik "extraterrestrische Physik". In den Wirren des endenden Krieges aber nicht mehr gestartet wurde, wiewohl Wernher von Braun noch am 22. November 1944 die Durchführung der Messflüge mit der "Regener-Tonne" angewiesen hatte



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